Montag, 20. Juni 2011

Die Rheinpfalz: Puck schießt den Vogel ab

Glänzende Premiere des „Sommernachtstraums” beim Haßlocher „Theater im Hof” - Vorzügliche Leistungen bis in die Nebenrollen
Von Roland Happersberger
Hassloch. Auch Bindfadenregen, der glücklicherweise erst in den allerletzten Minuten richtig lästig wurde, konnte das Haßlocher „Theater im Hof” nicht bremsen: Es legte einen Shakespeareschen „Sommernachtstraum” hin, der sich nicht nur in meteorologischem Sinn gewaschen hatte. In der von Monika und Kai Scharffenberger inszenierten Aufführung stimmte einfach alles: Optik, Tempo, darstellerische Leistungen, inszenatorisches Konzept, so dass der Applaus im ausverkauften Hof des „Ältesten Hauses” verdientermaßen lang und herzlich war.



Was für ein Spektakel muss dieser Wald erleben: Eine sechsköpfige athenische Laienspielgruppe ist hier herausgezogen, um ungestört die ergreifende Komödie von Pyramus und Thisbe einzuüben. Vier Liebende, bei denen nichts zusammen passt, irren durch die Nacht, im ziemlich absurden Versuch, sich passend paarweise zu ordnen. Und dann sind da noch, für die Genannten unsichtbar, vier reizende Elfen und der Kobold Puck nebst ihrem Königspaar Oberon und Titania, die ihren Ehestreit ausfechten und außerdem noch allerlei zauberischen Schabernack mit den Menschenkindern veranstalten. Am Anfang und Ende spielen auch noch Herzog Theseus von Athen und seine Verlobte Hippolyta, ihres Zeichens gewesene Amazonenkönigin, eine Rolle.

Es ist ein ziemlich kompliziertes Geschehen ohne eigentliche Hauptrollen. Jede Personengruppe hat freilich ihre Glanzszenen, in denen die 20 Schauspieler zeigen können, was in ihnen steckt. Dieser Bau des Stücks birgt freilich die Gefahr, dass der Ablauf in kaum verbundene Einzelteile zerbricht, deren Sinn der Zuschauer nicht recht begreift. Beim „Theater im Hof” war davon freilich nichts zu merken. Warum? Weil die Regie jeder Rolle intensivste Aufmerksamkeit widmete, jede einzelne Figur in Kostüm und Habitus so charakteristisch und unterscheidbar zeichnete, dass sie sich dem Zuschauer sofort einprägte. Überdies war der Text - man spielt die Übersetzung Erich Frieds, die den Vorzug leichter Verständlichkeit hat - geschickt gerafft, so dass ein zügiger Ablauf den Zusammenhang wahrt und durchaus Spannung aufkommen lässt. Lediglich am Anfang gibt es einige monologische Passagen, bei deren Vortrag die Darsteller wohl den Eindruck hatten, sie seien zu lan g, und daher allzu hastig deklamierten. Hier empfehlen sich weitere Kürzungen oder entschossenerer, entschiedener Vortrag. Dies ist aber auch wirklich das einzige, was man meckern kann. Ansonsten: reine Freude, auch darüber, wie geschickt die unterschiedlichen Charaktere der Darsteller den Rollen zugeordnet sind, wie geschickt die Regie aus den unterschiedlichen Fähigkeiten und auch Begrenzungen der Laienspieler künstlerisches Kapital geschlagen hat. Jede und jeder spielte auf seine Weise vorzüglich, so dass es eigentlich ungerecht ist, einzelne hervorzuheben.

Den Vogel schoss freilich Christian Heyden als Puck ab. Spätestens seit dem „Club der toten Dichter” weiß man, dass die Rolle dieses Kobolds mit dem jüngsten und hübschesten Mitglied der Truppe zu besetzen ist. In Hassloch durfte dieses aber als „Indischer Knabe” glänzen, und den Puck machte man ganz anders: Dieser Puck ist längst kein Knabe mehr, sondern ein ausgewachsener Scherzkeks, auch körperlich gewichtig, und dennoch so beweglich, so wendig, dass es eine Freude ist, Heyden zuzuschauen. Er scheint von Natur aus ein Erzkomödiant zu sein; was er mit einem Augenaufschlag, einer leichten, nie überzogenen Grimasse, einer knappen Rückwendung beim Abgehen, einem Schulterzucken ausdrücken kann, ist großartig - und perfekt dosiert. Thorsten Treiber und Helvi Lüttringhaus sind ein ungemein distinguiertes Herzogpaar, Kai Scharffenberger ist ein herrlich geplagter, genervt schnellsprechender Liebhaber, den Hermia, die er heiraten soll, flieht, dafür aber Helena, die er nicht heiraten will, verfolgt. Andreas Becker gibt den Lysander, den Hermia will, jugendlich verhalten, und Jenny Winterott und Fiona Jung spielen die beiden jungen Damen mit beträchtlicher Energie. Die vier Elfen (Anja Stahler, Kristina Brandenburger, Annika Schreier und Selina Becker) sind prachtvoll kostümiert und entwickeln ganz unterschiedliche Reize, Kristin Füßer ist eine energische Elfenkönigin, mit der sich Max Oliv als schon etwas alternder, nonchalanter Oberon überaus amüsant um den hübschen indischen Knaben streitet.

Andreas Scherer als Squenz und Tommy Schmidt als Zettel sind herrlich charakterisierte Anführer der Laienspielgruppe, der außerdem Max Annen, Yannic Stein, Martin Weitz und Eric Jedermann angehören. Ein herrlich ausgespieltes Vergnügen ist die zum Happy End der Dreifachhochzeit von ihnen aufgeführte „Tragödie”, in welcher namentlich Yannic Stein als Wand - mit einem korinthischen Kapitell auf dem Kopf (was für ein herrlicher Einfall!) grotesk herausgeputzt und urkomisch deklamierend - eine besonders gute Figur macht. Haben wir alle? Nein, einer fehlt noch: Armin Jung, der sich mit den Scharffenbergers im jährlichen Wechsel die Regie des Theaters im Hof teilt, hatte als Vater Egeus nur geringe, aber gleichwohl perfekt gemeisterte Entfaltungsmöglichkeiten.

Termine
Weitere Aufführungen gibt es am 24. und 25. Juni sowie am 1., 2., 8., und 9. Juli im Hof des „Ältesten Hauses” in Haßloch. Beginn: jeweils 20.30 Uhr. Karten in der Buchhandlung Curth in Haßloch (06324/2142) oder unter www.kulturverein-hassloch.de .

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